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09.01.- 15.01. 2014 // Dokumentarfilm aus Europas Südosten.

Das gesamte Programm zum Download als PDF-Datei: border gaze

border gaze : grenzblick
Im Fokus: Factum (Zagreb)


Das Land, das einmal Jugoslawien war, trägt heute viele Namen. Seit über 20 Jahren prägen neue Grenzen und Grenzziehungen diese europäische Landschaft. Hier bilden die Ränder Europas ihre eigene Semiperipherie zwischen EU und Balkan, zwischen mitteleuropäischer und osmanischer Tradition. Mit dem Rücken zum Sozialismus und zum Turbo-Kapitalismus gewandt, werden die Räume zwischen Individuum und Gemeinschaft heute neu verhandelt.

Mitten in Europa brachten in den 1990er Kriege neben traumatisierten Gesellschaften, sieben neue Staaten hervor. Sie scheinen dem westlichen Europa of genug immer noch fern zu sein, trotz EU-Erweiterung. Denn die Grenzen, die unsere europäische Wirklichkeit einhegen, schließen zugleich die Wahrnehmung der kleinen, alltäglichen Geschichten dieser Grenzverschiebungen aus.

border gaze, der Grenzblick vergegenwärtigt als deterritorialisierter Blick Veränderungen, Sehnsüchte, Migrationen, Verletzbarkeiten, Widerstände. Er macht aber auch die Stärken der Menschen sichtbar, die mit diesen Brüchen und Grenzen nicht nur zu leben wissen, sondern mit ihrer Geschichte auch Momente der Überwindung schaffen.

Kosovo, Istrien und Bosnien stehen in border gaze exemplarisch für die Grenzräume, in welchen intime Beziehungen und soziale Fragen Teil der Grenzziehungen sind. Im Fokus der Reihe steht zudem das Zagreber Produktionshaus Factum, das mit seinen Filmen wesentlich zur regen Entwicklung eines unabhängigen Dokumentarfilms in Kroatien beitrug. Alle Filme werden in Erstaufführung in München gezeigt.

Das Werkstattkino ergänzt mit der Spätvorstellung Balkan Grill die Reihe border gaze. Den Auftakt macht Dušan Makavejevs legendärer WR: Mysterien des Organismus (WR: Misterije organizma), der auf 35mm aus dem Fundus des Werkstattkinos stammt.

Ein seltener Glücksfall, einen der Paradefilme der jugoslawischen Schwarzen Welle in München zu sehen. Der Fall Charms (Šlučaj Harms) ist ein weitgehend in Vergessenheit geratener jugoslawischer Film aus der Endphase jugoslawischer experimenteller Kulturproduktion (1987). Am russischen Schriftsteller des Absurden, Daniil Charms, zeigt der Regisseur Slobodan Pešić die Absurdität des kommunistischen Regimes.

Als dritter Film führt Wolfgang Staudts Herrenpartie aus dem Jahr 1964 in die Zeit deutscher Aufarbeitung der NS-Zeit. Ein deutscher Männergesangsverein strandet auf dem Weg an die Adriaküste in einem kleinen Dorf, in dem nur Frauen leben. Es stellt sich heraus, dass ehemalige Wehrmachtsoldaten auf die Witwen jugoslawischer Partisanenkämpfer treffen.

IM FOKUS: FACTUM (Zagreb)

Im Zentrum der einwöchigen, im Werkstattkino präsentierten Reihe steht der Fokus auf dem Zagreber Produktionshaus Factum. In seinem mittlerweile über fünfzehnjährigen Bestehen waren es immer wieder Filme von Factum, die nicht nur in Kroatien, sondern auch in der Region wichtige Impulse für die gesellschaftspolitische Debatte gaben. 1997 wurde Factum vom Regisseur und Produzenten Nenad Puhovksi ins Leben gerufen, mit dem Ziel Dokumentarfilmern in Kroatien eine von politischen Strukturen unabhängige Finanzierung und Unterstützung zu gewährleisten. Seitdem entstanden rund 60 Filme, die als Kurz- oder Langfilm einen etwas anderen Blick auf die Gesellschaft werfen.
Anfangs war es vor allem der Krieg und seine heroische Huldigung, der mit Factums kritischen Filmen hinterfragt wurde. Sie stellten die kroatische Kriegsgewalt in den Vordergrund, die es nach der Meinung vieler Kroaten nicht gab („Sturm über der Krajina“ im Jahr 2001).

Im Fokus finden sich aber auch die stillen Seiten des Alltags wieder, die Verlierer einer im Umbruch sich befindenden Gesellschaft, die von den Gewalttaten, die im Namen der Gemeinschaft verübt wurden, noch immer geprägt wird. Factums Filme zeigen Menschen, die hinter diesen Erfahrungen und Lebenswelten stehen, lassen aber auch die Menschen selbst erzählen, wie den Obdachlosen Čedo. Insgesamt werden an den ersten vier Tagen sieben Filme gezeigt, die von Factum produziert wurden, vier neuere und drei ältere.

„ Thematically, Factum’s films can be divided in several groups: films about Croatia’s recent history; films that have aroused controversies, sharp criticism and public confrontations; films tackling with the stories no one else wanted to tackle with at that time; films that addressed new topics, in Croatia and the entire region. These are, among others, Storm Over Krajina, Lora – Testimonies, Pavilion 22, I Have Nothing Nice To tell You, Three and many more. On the other hand, Factum was a pioneer of autobiographical documentaries and made it possible for Croatian documentary films to join the global trend of intimate and personal reexamination of the world we live in by talking about authors themselves. These films include Graham And I, The Boy Who Rushed, All About Eve, Optimist Class, War Reporter, Behind The Looking Glass and others.

Finally, Factum also developed a third production ‘line’ – documentaries about people living on margins of society. Although such topics have always existed in Croatian documentarist tradition, Factum’s authors spoke about them in the moment of social homogenization, when all kinds of minorities were pushed to the utmost margin. In addition to the aforementioned films, this group includes Peščenopolis, Barge Keeper, Straight A's, Vajt, In Fond Memory Of TDZ, Together, Čedo and many others.“ (Factum)

 DONNERSTAG 09.01.2014  // 20:30 UHR
ALBUM  (KRO 2011)
Regie: Branko Ištvan, Produktion: Factum, O.m.engl.U., Beta SP, 50 Min.

Die Reihe wird eröffnet mit dem Film „Album“, 2011 von Branko Ištvan gedreht und von Nenad Puhovski produziert. Im filmischen Essay „Album“ lässt uns der kroatische Autor Miroslav Kirin an seinen Familienerinnerungen anhand Fotografien aus seiner Kindheit teilhaben. Diese Erinnerungen an den Ort der Kindheit werden durch die Flucht der Familie aus dem Kriegsgebiet in der Nähe von Sisak jeh unterbrochen. Nach dem Krieg kehren seine Eltern wieder in das verlassene Haus zurück. Im leeren Haus entdecken sie einen Negativfilm, den die ihnen unbekannte serbische Familie, die in ihrem Haus während des Krieges gewohnt hatte, hinterließ.
Die Fotos, die sie entwickeln aus dem Film ließen, schließen nun die zeitliche Lücke in ihren Erinnerungen. Die Bilder der ihnen Unbekannten werden somit Teil ihrer eigenen Geschichte und führen sie zu den Menschen, die hier lebten. Ein Film, der nach den grausamen Kriegen eine versöhnliche Sprache findet. 

A LETTER TO DAD (Pismo ocu)  (SRB/GB 2012)
Regie/Produktion: Srđan Keča, O.m.engl.U., Digital, 48 Min.

Als zweiter Film des Eröffnungsabends folgt der ebenfalls sehr persönliche Film
„A letter to Dad“ (Pismo ocu) (2011) (45 Min.) des serbischen Filmemachers Srđan Keča. Er stellt die Frage nach der individuellen Verantwortung für den Krieg in einer unaufgeregten und berührenden Auseinandersetzung mit seinem Verhältnis zum Vater. Der Tod des Vaters öffnet den Raum für eine versöhnliche Betrachtung der jüngsten jugoslawischen und serbischen Vergangenheit sowie der Rolle, die der eigene Vater darin einnahm. Ohne die Frage nach der Verantwortung allerdings endgültig zu beantworten.
"What distinguished Keca from the post-World War II generation of the 60s, the post-Vietnam generation of the 80s, and perhaps from his own post-Soviet Union generation, is a lack of accusation. Here is a director looking for a truth he does not seem to have found before making his film. Indeed, Keca is reluctant to tear conclu sions from the sometimes shocking accounts of the people he interviews. (...) Keca forces one to raise one’s eyebrows in astonishment. Reality is banal. There might have been a war, massacres, and expulsion but after all, it’s all about keeping one’s house, driving a car, raising a family. Why one might go out to kill people is a second degree question. In Keca’s film, it seems almost beside the point." (Moritz Pfeifer, East European Film Bulletin)
In Anwesenheit von Srđan Keča



 FREITAG 10.01.2014  // 20:30 UHR
BLUE WALL, RED DOOR (Muri I kaltërt, dera e kuqe) (KOS 2009)
Regie: Alban Muja / Yll Çitaku, O.m.engl.U., Digital, 33 Min.

In “Blue wall, red door” zeigen die Regisseure Alban Muja und Yll Çitaku wie die Straßennamen von Prishtina zu historischen Quellen sich wandelnder Ideologien und Migrationsbewegungen in Kosovo nach 1999 wurden. Beispielsweise heißt die frühere „Lenin-Straße“ heute „Bill Clinton Boulevard“. Der zentral gelegene Ort des Sport- und Einkaufszentrums, welches nach den legendären Partisanenkämpfern „Boro und Ramiz“ benannt wurde, heißt heute gemeinläufig: bei „NEWBORN“. Das Newborn-Monument wurde anlässlich der Unabhängigkeitserklärung aufgestellt. Alban Muja führt als Erzähler durch den Dokumentarfilm und interviewt unterwegs Taxifahrer, Feuerwehrleute, Sanitäter, Postboten sowie Passanten. Ihre Orientierungshinweise gewähren einen Einblick, wie das Wissen über die Entwicklung der Straßennamen ein tiefgreifenderes Verständnis über die Entwicklung der Stadt

(Programmänderung: The Golden Ice-Cream entfällt)

LOST SHOES (Këpucet e humbura)  (KOS 2012)
Regie/Produktion: Shota Bukoshi, O.m.engl.U., Digital, 21 Min.

Die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart des Kosovo schlägt der Kurzfilm „Lost shoes“ (Këpucet e humbura) (2012) der jungen Regisseurin Shota Bukoshi, der eine ehemalige, im Kosovo in Trümmern stehende Schule als Szenerie wählt. Sie lässt drei ehemalige Schüler von ihrer Schulzeit in den 1990er Jahren erzählen. Der manchmal recht ungewönliche Alltag, der die Jugend der drei Erzähler vor dem Krieg 1998/99 prägte, zeigt sich in persönlichen Erinnerung an die Schule und die albanisch-serbischen Konflikte.


SEX  (KOS 2013)
Regie: Kaltrina Krasniqi, Produktion: Kosovo 2.0, O.m.engl.U., HD Digital, 45 Min

Der Film „SEX“ (2013) der Regisseurin Kaltrina Krasniqi dokumentiert eine junge kreative Szene in Prishtina, die sich nicht davor zurückscheut auch das Thema der sexuellen Orientierung in die kosovarische Öffentlichkeit zu bringen. Bei einer sogenannten „Sexparty“, die Teil einer künstlerischen Intervention war, offenbart sich aber auch die andere Seite einer gegenwärtigen Entwicklung zu religiösem, islamischen Konservatismus: Islamische Männer fielen in das Kulturzentrum ein und zerstörten die Räumlichkeiten der Künstler-Plattform
„Kosovotwopointzero“. Ein Schock für die jungen Aktivisten. Der Film arbeitet diese Ereignisse auf und rekonstruiert, wie es zu diesem Ereignis kam.

In Anwesenheit von Shota Bukoshi und Kaltrina Krasniqi. 




 SAMSTAG 11.01.2014  // 18:00 UHR
STRAIGHT A'S (Sve 5!)  (KRO 2004)
Regie: Dana Budisavljević, Produktion: Factum, O.m.engl.U., Beta SP, 45 Min.

Dana Budisavljević portraitierte 2004 in „Straight As'“ (Sve 5!) die Rückkehr von Lidija Šunjergi, die 15 Jahre zuvor Dalmatien verließ und in Amsterdam als Prostituierte und Pornodarstellerin arbeitete. Der Film zeigt mit großer Nähe die Konfrontation ihrer Biografie mit dem Umfeld ihrer Kindheit: die Mutter, der katholische Konservatismus und die skandalgetriebene Öffentlichkeit machen es ihr nicht leicht, wieder zu Hause anzukommen.

THE PURSUIT OF LUCK (Barajki si ja srekata)  (MAZ 2013)
Regie: Marija Džidževa, Produktion: Award Film&Video, HD Digital, O.m.engl.U., 66 Min.

„The Pursuit of Luck“ (Barajki si ja srekata) (2013) von Marija Džidževa begleitet zunächst acht makedonische Männer auf ihrer Reise nach Moskau, wo sie eine Frau und damit ihr Glück zu finden hoffen. Anhand von drei Portraits werden die Geschichten von Hoffnung, Glaube, Liebe erzählt. Sie zeigen auch die Schwierigkeiten, die die Hoffnung auf das persönliche Glück zugleich beinhaltet: Was ist Liebe? Ist eine Frau die Lösung für ihr Hoffen auf Glück? Und wozu ist auf der anderen Seite die Frau bereit? Ein Film, der eine Gesellschaft über ihre Vorstellungen von der Liebe spiegelt. 



 SAMSTAG 11.01.2014  // 20:30 UHR
THE ABANDONED TOWN (Napušteni grad)  (KRO 1999)
Regie: Magdalena Piekorz, Produktion: Factum, Beta SP, O.m.engl.U., 18 Min.

Der 1999 von Factum produzierte Kurzfilm „The Abandoned Town“ (Napušteni grad) von Magdalena Piekorz nimmt mit dem istrischen Piemonte eine kleinen Welt in den Blick, die allmählich zu verschwinden droht. Während sich im nahen Grožnjan Künstler aller Coloure tummeln, ist Piemonte eine vom Aussterben bedrohte Stadt. Der Großteil seiner Bewohner waren bis 1945 Italiener, die nach dem Zweiten Weltkrieg, mehr unfreiwillig als freiwillig, Istrien verließen.
Der Film machte sich zu einer Zeit, als Kroatien wenig Toleranz gegenüber seinen Minderheiten zeigte, auf den Weg, diese verloren gegangenen Menschen und ihre Geschichten zu suchen. 

TIMELESS RIVER (Trenutek reke / Il tempo di fiume) (SLO 2010)
Regie: Anja Medved, Nadja Velušček, Produktion: Kinoatelje, O.m.engl.U., 63 Min.

In Slowenien entspringt in den julischen Alpen der Fluß Soča, der sich mit seinem aquamarinfarbenen Wasser durch die Schluchten Sloweniens windet, um in Italien als Isonzo die Grenzstadt Gorizia zu passieren und in die Adria zu münden. Der Bergfluß verbindet Alpen und Mittelmeer, Slowenien und Italien, und eine Grenzregion, die vor dem Ersten Weltkrieg eng verflochten war. Die Gegensätze und vielen Seiten des Flusses, sein weibliches Wesen im Slowenischen, sein mänliches im Italienischen, die blaue Farbe des Wassers und die der blutigen Geschichte begleiten seinen Lauf. Der Kreislauf der Natur steht den Zerstörungen der Menschen gegenüber. „Timeless river“ folgt dem Flußlauf von seiner Quelle bis zur Mündung und rückt die Menschen ins Bild, die eine besondere Beziehung zum Fluß und seiner Natur haben.

(Programmänderung: Mama Europa entfällt)



 SONNTAG 12.01.2014  // 18:00 UHR
THE BLOCKADE (Blokada)  (KRO 2012)
Regie: Igor Bezinović, Produktion: Factum/Restart, Digital, O.m.engl.U., 93 Min.

„Blokada“ (2012, Factum) von Igor Bezinović dokumentiert den Studentenstreik, der 2009 die Philosophische Fakultät in Zagreb wochenlang blockierte. Die drohenden Studiengebühren und die damit verbundene „Ökonomisierung“ der Hochschulbildung war Ausgangpunkt für einen neuen politischen linken Diskurs in Kroatien, der in den Protesten seinen ersten sichtbaren Ausdruck fand. Mit Kreativität und ausgearbeiteten Argumenten zeigten die Studenten wie politischer Protest in der Gegenwart aussehen kann. Die neue Generation bewies mit diesem Streik auch, dass sie den Krieg, seine Aushöhlung der Demokratie und die Blockade des Politischen hinter sich gelassen hat: „The film follows the protagonists' lives after the blockade , their conflicts, their uncompromising fight and, finally, their decision to end the blockade and continue their fight using other means.” (FACTUM) 



 SONNTAG 12.01.2014  // 20:00 UHR
ČEDO  (KRO 2012)
Regie: Nikola Strašek, Produktion: Factum, O.m.engl.U., Digital, 52 Min.

Das Porträt „Čedo“ (2012) des jungen Regisseurs Nikola Strašek gibt dem Zagreber Obdachlosen Čedo Šarabi den Raum, seine Geschichte zu erzählen. Und er erzählt eine Geschichte, die in Kroatien eigentlich niemand hören will: angefangen vom jugendlichen Alkoholismus noch zu Zeiten des Sozialismus, der über die Diskriminierungen der 1990er Jahre, als Menschen mit nicht kroatisch klingendem Namen schnell zu potentiellen Feinden wurden, der Heroinabhängigkeit verfiel. Sein Schicksal auf der Straße scheint besiegelt.

L.E.F  (KRO 2012)
Regie: Goran Trbuljak, Produktion: Factum, O.m.engl.U., Digital, 9 Min.

Der Kurzfilm „L.E.F.“ (2012) von Goran Trbuljak nimmt die Initialen der Französischen Revolution (Liberté, égalité, fraternité) zum Ausgangspunkt für seine Suche nach den Idealen der Demokratie und der jetzigen gesellschaftlichen Ordnung. Sein Blick schweift zu den Mülltonnen auf den Kontinenten dieser Welt.

KARL MARX AMONG US (Karl Marx med nami)   (SLO 2013)
Regie: Jurij Meden, Produktion: Kino!, O.m.engl.U., Digital, 46 Min.

Der Experimentalfilm „Marx among us“ (Marx med nami) (2013) von Jurij Meden, Programmdirektor der Kinematek in Ljubljana, lotet in einem Zusammenschnitt von Schwarzweißbild und literarischen und künstlerischen Zitaten die Möglichkeiten einer Erneuerung der Marxschen Ideale aus. Wie kann die existentielle Unsicherheit, mit welcher viele Menschen, vor allem in den südlichen Staaten Europas, in der Gegenwart konfrontiert sind, benannt werden? Wie könnte ein Narrativ aussehen, das die kommunistische Idee für unser Leben wieder glaubhaft macht? Medens Film zeigt sich als intertextuelles Medium, das mit der Sprache der europäischen Avantgarde die Zukunft herausfordert.
In Anwesenheit von Jurij Meden



 MONTAG 13.01.2014  // 20:30 UHR
LOOKING THROUGH THE IRON CURTAIN  (SLO/IT 2010)
SLO/IT 2010, Regie: Anja Medved, Produktion: Kinotatelje, O.m.engl.U., Digital, 21 Min.

Der Kurzfilm „Looking through the Iron Curtain“ (2010) der slowenischen Regisseurin Anja Medved widmet sich der Grenzstadt Gorizia auf italienischer und Nova Gorica auf slowenischer Seite. Die EU-Osterweiterung und die Verschiebung der Schengen-Grenze (2004 und 2007) zeigten sich gerade in dieser italienisch-slowenischen Grenzregion als eine Wiedervereinigung von vielen Familien- und Lebensgeschichten, die 1945 auseinandergerissen wurden. Der Film lässt Menschen von der Grenze und ihren kleinen Schmugglergeschichten im ehemaligen Zollgebäude in der geteilten Grenzstadt erzählen. 

MY NAME IS JANEZ JANŠA (Jaz sem Janez Janša)   (SLO 2012)
Slowenien 2012, Regie: Janez Janša, Produktion: Aksioma, O.m.engl.U., HD Digital, 67 Min.

Der Film des slowenischen Künstlers bzw. Kollektivs Janez Janša „My name is Janez Janša“ (Jaz sem Janez Janša) (2012) erzählt nicht nur vom Verhältnis der Menschen zu ihrem Namen, sondern auch von der politischen Aufladung, die Namen durch ihre symbolische Funktion erhalten: Der Film führt den künstlerischen Akt der Überidentifikation, bei welchem drei Künstler ihren Geburtsnamen standesamtlich durch den Namen des rechtsgerichteten slowenischen Ministerpräsidenten Janez Janša ersetzten und da mit für Verwirrung und Unverständnis sorgten, konsequent weiter. Damit führen Sie auf eine radikale, da tief in ihr Leben eingreifende Weise die künstlerischen Interventionen weiter, mit welcher schon das Kollektiv „Neue Slowenische Kunst“ (Laibach, IRWIN) in den 1980er Jahren das jugoslawische politische System herausforderte.
„A name. Everybody has one. Individuals, artists and academics from all over the world share their thoughts about the meaning and purpose of one’s name from both private and public perspectives. The problem of homonymy and other reasons for changing one’s name are explored as the film draws references from history, popular culture and in dividual experiences, leading us to the caseof a name change that caused a stir in the small country of Slovenia and beyond.” (Aksioma) 



 DIENSTAG 14.01.2014  // 20:00 UHR
ONE WOMEN - ONE CENTURY (Jedna žena - jedan vek) (SRB 2011)
Regie: Želimir Žilnik, Produktion: playground produkcija, O.m.engl.U., HD Digital, 110 Min.

Der jüngste Film des jugoslawischen Pioniers des kritischenund experiemntellen Films, Želimir Žilnik, „One Women - One Century“ (Jedna žena - jedan vek) (2011) begibt sich mit dem monumentalen Porträt der hundertjährigen Dragica Srzentić auch auf die Spuren der jugoslawischen Geschichte. Das Leben der in Istrien geborenen Frau, deren Schlüsselerlebnisse mit jenen Jugoslawiens eng verknüpft sind, findet hier in einer Komposition aus Gesprächen, animierten Bildern und Fotografien eine unglaubliche Form. Gemeinsam mit ihr erlebt man, wie ein junges Mädchen die Zwischenkriegszeit, eine politisch engagierte Frau die Zeit der Okkupation und des Faschismus und den kommunistischen Neuaufbruchs erlebte. Während sie 1948 noch in der jugoslawischen Delegation zu Stalin reiste, musste sie auch die Gewalt erfahren, welche der Staat, für den sie gekämpft hatte, zur eigenen Selbstlegitimation gegen seine Unterstützer an wandte: sie berichtet eindringlich von den Folterungen, die sie 1951 im Gefängnis, zur Stalinistin gebrandmarkt, erdulden musste. Ihr Leben wird hier zum Prisma, in dem sich zugleich die politische Geschichte eines nicht mehr existenten Staates bündelt.
„In view of Dragica Srzentić’s experiences as a member of the Yugoslav resistance during the Nazi occupation, her frequent uttered remark is more than a comment on her own longevity. One woman – one century: a personal account inseparable from the turbulent history of Eastern Europe during World War Two and the aftermath.
The interviewee went underground, fled, got arrested and tortured, cheated death more than once. Yet her words resonate with humour and dignity rather than anger or sadness. Želimir Žilnik gives Srzentić’s stories time, supplementing them with footage of his subject’s journey to a parade in Moscow or inserting animated sequences that underscore her achievements.” (playground produkcija)

In Anwesenheit von Želimir Žilnik. 



 MITTWOCH 15.01.2014  // 20:30 UHR
ESCAPE (Bijeg)  (SRB/BIH 2013)
Regie: Srđan Keča, Produktion: Uzrok/Care, O.m.engl.U., Digital, 23 Min.

Im Mittelpunkt des von der Hilfsorganisation Care produzierten Films „Escape“ (Bijeg) (2013) von Srđan Keča stehen drei junge Roma-Frauen und ihr Versuch, ihre schmerzlichen Erfahrungen hinter sich zu verlassen und einen Neuanfang zu wagen. „Ein karger, müllbeladener Bolzplatz, mittendrin Danijela, 15 Jahre alt, allein unter Jungen, stets mit dem Fuß am Ball… Elvira ist jung und frisch verliebt, als sie nach nur wenigen Monaten Beziehung heiratet. Bald darauf wird sie Mutter. Die kleine Familie hat es schwer, es fehlt an allen Ecken und Enden. Elviras Mann lässt seine junge Frau und Tochter allein … Galiba hat viele Jahre häuslicher Gewalt hinter sich. Mit einem bitteren Lachen erinnert sie sich an die ersten Schläge: Ihr Mann verlor einen Wettkampf, sie amüsierte sich über seine Niederlage, er fühlte sich in seinem Stolz verletzt. Erst nachdem ihre Kinder erwachsen waren, nahm Galiba ihr Leben in die Hand und bekam ein kleines Darlehen für eine Hühnerzucht.“ (CARE)


CLOSE UP IN TOTAL (Krupno u totalu)  (BIH 2012)
Regie: Slaviša Mašić, Produktion: Josip Pejaković, O.m.engl.U., Beta SP, 72 Min.

Der bosnische experimentelle Dokumentarfilm „Close up in Total“ (Krupno u totalu) (2012) von Slaviša Mašić beschließt die einwöchige Reihe border gaze. Der Regisseur reiste für seine TV-Sendung „Im Namen des Volkes“ mehrere Jahre durch Bosnien und Herzegowina und sammelte die Stimmen der Vielen. Durch die Komposition banaler, sich wiederholender Aussagen von rund 500 Menschen erhalten sie hier plötzlich einen tieferen Sinn. Dieses, wie eine bosnische Journalistin schrieb, nicht immer schöne Gesicht des Landes, zeigt aber mit seinen verschrumpelten und zahnlosen Menschen zugleich sehr viel eigenwillige Emotionalität. Der ebenso eigenwillige Film ist eine Collage aus sich ähnelnden Motiven und Themen, die das ganze Land, obgleich seiner politischen Zerrissenheit, wie ein Musikstück wieder zu einem Ganzen zusammenfügt.



Spätvorstellung: BALKAN GRILL

 SAMSTAG /SONNTAG (11.&12. Januar)   //  22:30 UHR
WR: Mysterien des Organismus (WR: Misterije organizma)  (Jugoslawien 1971)
Regie: Dušan Makavejev, Darsteller: Milena Dravić, Jagoda Kaloper, Deutsche Fassung, 35mm, 86 Min.

„W.R. – MYSTERIEN DES ORGANISMUS (1971) ist eine brillante, unterhaltsame, assoziative Montage aus dokumentarischem Material, inszenierten Passagen und Filmzitaten, in der Makavejev ungestüm die These durchleuchtet, dass eine freie (kommunistische) Gesellschaft und freie Liebe untrennbar zusammengehören. Beim Wiedersehen des Films fällt eher die ironische Systemkritik auf als die freizügige Darstellung genitaler Details und Vereinigungen. Beides hat aber wohl damals die Gemüter in Ost und West erhitzt.” (Anna Hoffmann)

Vorfilm: Don Quihote (Don Kihot), (Jugoslawien 1961)
Regie: Vlado Kristl, Animation, 35mm, 11 Min.



 MONTAG (13.01.2014)   //  22:30 UHR
Der Fall Harms (Slučaj Harms)  (Jugoslawien 1987)
Regie: Slobodan D. Pešić, Darsteller: Frano Lasić, Damjana Luthar, Milica Tomić, O.m.U., Digital, 93 Min.

Der Film beschreibt ein mögliches Szenario der letzten Tage vor Daniil Charms Tod: russischer Schriftsteller des Absurden und 1942 unter Stalin zum Tode verurteilt. Nachdem ihn die Behörden nach dem Aufenthaltsort seiner literarischen Figuren befragt wurde, wird er zwar wieder auf freien Fuß gesetzt, doch in seiner Wohnung wird ihm bewusst, dass die Dinge über die er schrieb plötzlich real sind. Nach der Begegnung mit dem Engel aus einem seiner “Fälle” träumt er von einer Exekution und wird von der Angst befallen, dass auch dieser Traum real werden könnte.


 DIENSTAG/MITTWOCH (14.&15. Januar)   //  22:30 UHR
Herrenpartie  (Deutschland/Jugoslawien 1964)
Regie: Wolfgang Staudte, Darsteller: Hans Nielsen, Götz George, Gerlach Fiedler, Mira Stupica, Nevenka Benković, Deutsch, 16mm, 93 Min.

Ein deutscher Männergesangsverein fährt mit einem Bus ins populäre Urlaubsland Jugoslawien. Als ihnen das Benzin ausgeht, kommen sie in ein abgelegenes Dorf, das ausschließlich von Frauen bewohnt wird. Die Frauen geben ihnen weder Benzin noch Wasser gegen die Hitze. Die Situation spitzt sich zu… Pendelnd zwischen politischer Satire und Schicksalstragödie, ist der hervorragend gespielte Film ein bemerkenswerter Beitrag zur unbewältigten Vergangenheit beider Völker. Nicht minder interessant ist der Blick auf die damalige Rezeptionsgeschichte des Films, der als „üble Nestbeschmutzung“ diffamiert wurde und die Kino-Karriere Staudtes als engagierter Gesellschaftskritiker beendete.