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The
Old School of Capitalism
(Stara škola kapitalizma) Buch und Regie: Želimir Žilnik Kamera: Miodrag Milošević Produzentin: Sarita Matijevic Serbien 2009, 122 min.
„Die
Handlung ist einfach: Eine Gruppe ArbeiterInnen be- setzt eine
Produktionshalle. Der nächste Schritt der Eska- lation kommt, als sich
die Besitzer weigern, mit ihnen in Verhandlung zu treten. Junge
Anarchisten bieten Hilfe an. Arbeiter fordern von ihnen, dass sie die
Besitzer zu ihnen bringen. Es kommt anschließend zum Bossnapping,
und als es darum geht, diese Allianz zu festigen, bricht alles
zu- sammen, weil die ArbeiterInnen keineswegs den Vor- stellungen der
anarchistischen AktivistInnen entsprechen. Die Arbeiter verraten die
intellektuelle Avantgarde. „Verrat“ ist das zweimal sich
wiederholende Hauptmotiv des Films. Parallel zu dieser Handlungslinie
werden folgende Ge- schichten erzählt: die der organisierten
Arbeiterschaft, die ihren Glauben an den Rechtsstaat nicht verloren
hat; die- jenige der kleinen Unternehmer, die in einem Prozess der
wilden Privatisierung etwas für sich ergattert haben – was aber,
wie das so üblich ist im Kapitalismus, notwendiger- weise in die Hände
der multinationalen Korporationen fallen wird –; und diejenige der
urbanen Intellektuellen, die in einer postsozialistischen
Gesellschaft auf der Suche nach einem festen Standpunkt irren und
wirren.“
(Ljubomir
Bratić)
Seit
den späten 1960er Jahren ist Želimir Žilnik mit seinen stets
kritischen Filmen einer der produktivsten Regisseure des ehemaligen
Jugoslawien.
Seine ersten Arbeiten waren vor allem von jenen Wider- sprüchlichkeiten geprägt, die das Heil versprechende sozia- listische System hervorbrachte. Sein Kurzfilm The Unemployed aus dem Jahr 1968, ausgezeichnet in Oberhausen, porträtiert Menschen in ihrer Verunsicherung über die ökonomischen Veränderungen in Jugoslawien, das mit seiner Industrialisierung nicht nur Fortschritt, sondern auch tiefe soziale Ängste und damit auch den jugosla- wischen Gastarbeiterstrom nach Deutschland hervor- brachte. In seinem wohl wichtigsten Film aus dieser Um- bruchszeit, Early Works (auf Marx' Frühe Werke anspielend), der als bester Film 1969 in Berlin ausgezeichnet wurde, geht er noch einen Schritt weiter: mit einer fast schon apoka- lyptischen Geste zeigt dieser Spielfilm das Scheitern der Studentenrevolte von 1968 in Jugoslawien, die aufgrund des Unverständnisses der intellektuellen Revolutionäre gegen- über der sozialen Realität und ihrer eigenen Selbstüber- schätzung in selbstzerstörerischer Gewalt endet. Die realistische Form wie auch die unverblümte Kritik seiner Filme brachten Žilnik Anfang der 1970er Jahre Berufsverbot in Jugoslawien ein. Aufgrund dessen lebte und drehte er einige Jahre in München, bis er 1976 aus der BRD ausgewiesen wurde. In den 1980er Jahren entwickelte Žilnik den heute seine Arbeiten prägenden Stil der Doku-Fiction. In seinen Filmen lässt er die Unterprivilegierten der Gesellschaft sich selbst spielen und ermöglicht ihnen damit, ihre eigenen Geschich- ten selbst zu erzählen, ohne dass sich Žilnik als Regisseur damit das Vorrecht sichern würde, die Realität abzubilden oder für die ansonsten in der Öffentlichkeit unsichtbaren Menschen die Stimme zu erheben. Sein neuester Film The Old School of Capitalism (2009) zeigt sich als Brückenschlag zwischen seiner aktuellen Technik, des realistischen, auf low budget Basis gedrehten Films, zu den Themen des Jahres 1968. Nach dem blutigen Zerfall Jugoslawiens sind es heute die Arbeiter in Serbien, die er im Umbruch mit den neuen ökonomischen Heilsversprechen, dem Kapitalismus und dem globalen Finanzmarkt porträtiert. Die Arbeiter sind es auch, die nun die Revolte führen, die sich gegen die neuen Unternehmer richtet. Diese Unternehmer erwarben im Zuge der Privatisierung die ehemals staatlichen Fabriken meist für eine symbolische Summe und führten sie nicht selten bewusst in den Ruin, um durch den Verkauf von Maschinen und Immobilien schnell zu Geld zu kommen. Žilniks neuer Film zeigt erneut Widersprüchlichkeiten auf, die zum Kern des Sozialen in der Moderne vorstoßen: Die wunderbare Welt des Kapitals und das Fortschritts- versprechen mit den sie begleitenden unsichtbaren Ver- lierern dieser Welt, die nicht über die rationale Sprache des Finanzmarktes verfügen. Donnerstag 14.04.11, 19:00 Uhr
Filmmuseum im Stadtmuseum München St.-Jakobs-Platz 1 in Kooperation mit balkaNet e.V. Eintritt: 4€ / 3€ In
Anwesenheit des Regisseurs.
Podiums- und Publikumsgespräch mit dem Soziologen Slobodan Karamanić und der Kuratorin Katja Kobolt. Moderation: Brigita Malenica |